Weltbevölkerung

Der demografische Übergang

Was ist der demografische Übergang? Es geht dabei um die Entwicklung der Bevölkerungszahlen im Übergang von der Agrar- zur Industrie- und Dienstleistungs­gesellschaft. Das ist ein äußerst brisantes Thema, geht es doch um nicht weniger als das Schicksal der gesamten Menschheit.

Denn wenn das Wachstum der Weltbevölkerung nicht gestoppt werden kann, drohen Hungersnöte, Unterernährung und gewaltsame Kämpfe um die knapper werdenden Ressourcen. Und selbst wenn nichts davon eintreffen sollte, so gilt es doch, ein nachhaltiges ökologisches Gleichgewicht wiederherzustellen, das der Natur genügend Raum gibt, sich von den Eingriffen der Menschheit zu erholen. 

Der demografische Übergang hat zwei Entwicklungsstränge: Erst gehen die Sterberaten zurück aufgrund der medizinischen Fortschritte, verbesserter Hygiene, Zugang zu sauberem Wasser usw. Dies führt zu einem dramatischen Anstieg der Bevölkerungszahl.

Da jedoch in den neuen Gesellschaftsformen nicht mehr so viele Kinder als Arbeitskräfte und zur „Alterssicherung“ benötigt werden wie in der Agrargesellschaft, geht die Zahl der Geburten allmählich zurück. Hinzu kommt der Wandel des Lebensstils infolge des wachsenden Wohlstands. Die Folge: Das Wachstum reduziert sich stetig bis zu dem Punkt, dass die Bevölkerung zu schrumpfen beginnt.

Die meisten Staaten der Erde sind in dieser Entwicklung schon weit vorangeschritten. Paradoxer Weise wächst aber die Weltbevölkerung noch immer. Warum? Das kann am besten und anschaulichsten der leider schon verstorbene schwedische Forscher Hans Rosling erklären. Siehe dazu seine TED-Talks auf YouTube. (https://www.youtube.com/watch?v=fTznEIZRkLg, oder https://www.youtube.com/watch?v=hVimVzgtD6w)

Hier seine Erklärung in der Kurzfassung: Auch wenn die Wachstumsquoten überall zurückgehen, gibt es dennoch bei den Absolut-Zahlen ein weiteres Wachstum, weil das Plateau, auf dem das Wachstum stattfindet, inzwischen so breit geworden ist, dass auch ein sinkende Wachstumsquote noch immer zu mehr Menschen führt als im Jahr zuvor.

So führte zwischen 1960 und 1970 ein jährliches Wachstum von 2,5 Prozent zu einer jährlichen Zunahme der Bevölkerung von rund 72 Millionen Menschen. Zwischen 2000 und 2010 betrug das jährliche Wachstum nur noch 1,3 Prozent, war also fast um die Hälfte niedriger, und führte dennoch zu einem jährlichen Zuwachs von fast 81 Millionen.

Mein Ziel ist es aber nicht, hier eine – weitere – Abhandlung des demografischen Übergangs in globaler Sicht zu liefern. Siehe dazu Wikipedia.

Mein spezifischer Beitrag soll darin bestehen, die Veränderungen in ihrer räumlichen Dimension sichtbar zu machen. 

Das ist eine wichtige Ergänzung, denn die einzelnen Regionen der Welt befinden sich in einem unterschiedlichen Stadium des demographischen Übergangs und auch innerhalb der Regionen gibt es große Unterschiede.

Es ist allerdings gar nicht möglich, die regionale Differenzierung in ihrer ganzen Breite auf dieser Website darzustellen. Deshalb beschränke ich mich hier auf die großen Weltregionen, wie sie von den Vereinten Nationen definiert wurden (siehe Menupunkt Atlas, Weltregionen). Für diejenigen, die sich für das gesamte Thema näher interessieren, werde ich einige PDF-Files erarbeiten und ins Netz stellen.

Nun zu den zwei Komponenten des demografischen Übergangs, beginnend mit der weltweiten Entwicklung der Zahlen der Todesfälle.  

Der Rückgang der Sterblichkeit

Diagramm 1

Global hat sich die Zahl der jährlichen Todesfälle pro 1000 Einwohner im Zeitraum von 1960 bis 2017 mehr als halbiert. Es ist eine kontinuierliche Entwicklung erkennbar, die sich aber allmählich verlangsamt.

Wie unterscheidet sich die Entwicklung in den einzelnen Weltregionen? Dies lässt sich an den folgenden beiden Karten ersehen.

Karte 1

Die höchsten Todesraten finden wir in Subsahara-Afrika und Südasien, relativ hohe Raten auch noch in den arabischen Staaten und in Ostasien, leicht unterdurchschnittliche in Lateinamerika und den industriell noch nicht voll entwickelten Teilen Südwestasiens und Südeuropas (im weiteren bezeichnet als Eur-As. Es handelt sich um die Türkei und eine Reihe von Staaten der ehemaligen Sowjetunion) und die niedrigsten Quoten in den Industrieländern.

Karte 2

Karte 2 bietet ein verblüffendes Bild: Bis 2017 haben zwar nicht alle einzelnen Länder jedoch alle Regionen (also im Schnitt) mit Todesraten von weniger als 10 Fällen je tausend Einwohner ein in der Größenordnung ähnliches Level wie die Industrieländer erreicht. Dies wäre gar nicht denkbar ohne eine wesentliche Verbesserung der medizinischen Versorgung auf der gesamten Erde.

Diagramm 2

Diagramm 2 zeigt, dass die höchsten Rückgänge der Todesraten in den arabischen Ländern und in Südasien zu finden sind. Und erstaunlich: Die Industrieländer haben inzwischen nicht mehr die niedrigsten, sondern die höchsten Raten.

Dies liegt natürlich nicht daran, dass die medizinische Versorgung dort schlechter geworden wäre, sondern im Gegenteil, es ist eine Folge der guten medizinischen Versorgung, die dazu geführt hat, dass die Menschen immer länger leben. Die Veränderung der Altersstruktur hat also in den Industrieländern dazu geführt, dass die Zahl der Todesfälle in der Bilanz zwischen 1960 und 2017 nicht mehr nennenswert zurückging, sondern auf dem gleichen Stand verharrte.

Das gleiche gilt auch andersherum: Die Altersstruktur dürfte auch auf der Südhalbkugel eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Tatsache, dass wir dort sehr junge Bevölkerungen finden, trug und trägt sicherlich erheblich zum Rückgang der Sterbequoten bei, vor allem. nachdem es gelungen ist, die Säuglings- und Kindersterblichkeit herabzudrücken.

Länder mit den höchsten Sterberaten (>12 ‰) im Jahr 2017

In dieses Bild passt auch diese Karte: Von den Ländern, deren Sterbequote deutlich über dem Durchschnitt ihrer Region liegt, sind nur 4 in Afrika zu finden, die meisten liegen im europäischen Teil der ehemaligen Sowjetunion, wohingegen der asiatische Teil (Kasachstan, etc.) nur durchschnittliche Werte aufweist. Die extrem auffällige geografische Ballung der höchsten Sterberaten macht klar, dass neben Alterstruktur und Qualität der medizinischen Versorgung auch noch andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen dürften, z.B. Kriminalität, Selbstmorde, Alkoholkonsum, Verkehrstote etc. Doch dies führt uns zu weit weg von unserer Ausgangsfragestellung.

Deshalb nun zur zweiten Komponente des demografischen Rückgangs: die Entwicklung der „Fruchtbarkeitsraten“ (fertility rates).

Geburten je Frau

Diagramm 3

Wie schon erwähnt hat der Wandel der Lebensweise zu einem kontinuierlichen Rückgang der „Fruchtbarkeit“ geführt.

Karte 3

In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts finden wir in allen Entwicklungsländern eine hohe Fruchtbarkeit, besonders hoch in den arabischen Ländern. 2017 hat sich das Bild vollkommen gewandelt.

Karte 4

Bis zum Jahr 2017 ist die Zahl der Geburten je Frau in allen Entwicklungsregionen zurückgegangen. Lateinamerika, Süd- und Ostasien haben sich dem Level der Industrieländer angenähert. Die arabischen Länder bewegen sich im Mittelfeld, und auch in Afrika ist die Fruchtbarkeit gesunken aber immer noch relativ hoch.

Diagramm 4

Diagramm 4 zeigt noch genauer, wie sich die Rangordnung unter den Regionen gewandelt hat: In den arabischen Ländern hat sich die Fertilitätsrate mehr als halbiert, während sie in Afrika deutlich weniger stark zurückgegangen ist.

Das Wachstum der Weltbevölkerung

Nun also zum eigentlichen Thema: die Weltbevölkerung wächst und wächst und wächst.

Diagramm 5

Was in diesem Diagramm aber kaum sichtbar ist, ist der allmähliche Rückgang der Wachstumsgeschwindigkeit. Die jährlichen Wachstumsraten gehen kontinuierlich zurück, von – im Schnitt – etwa 2,5 Prozent zwischen 1960 und 1970 auf 1,3 Prozent zwischen 2000 und 2010.

Karte 5
Karte 6

Was bei der Betrachtung der regionalen Verteilung des Bevölkerungswachstums sofort auffällt, ist die Tatsache, dass Karte 5 identisch ist mit Karte 3 und Karte 6 mit Karte 4. Dies ist leicht zu erklären: Das Wachstum ist inzwischen nur noch von der Fertilitätsrate abhängig, während die Differenzen in der Sterblichkeitsrate praktisch bedeutungslos geworden sind.

Diagramm 6

Diagramm 6 zeigt um wieviel Prozent die Bevölkerung in den Regionen seit 1960 gewachsen ist. Die Einwohner der arabischen Länder und Afrikas (Subsahara) sind seit 1960 um das Vierfache gewachsen, die Lateinamerikas und Südasiens (Indien etc.) um das Dreifache und die Bevölkerung Ostasiens (China etc.) hat sich etwas mehr als verdoppelt.

Diagramm 7

Diagramm 7 zeigt die regionale Verteilung der Weltbevölkerung in den Jahren 1960 und 2017. Damit soll In Erinnerung gebracht werden, dass die arabischen Länder und Afrika zwar ein sehr hohes Wachstum haben, aber von einer relativ niedrigen Ausgangsbasis gestartet sind.

Außerdem muss daran erinnert werden, dass die Regionen keineswegs in sich homogen sind. Die Unterschiede innerhalb der Regionen sollen deshalb durch Karte 7 illustriert werden.

Wer sich die Mühe macht, die Karte sorgfältig zu studieren, kann viel entdecken. Ins Auge sticht zum Beispiel die Spaltung der arabischen Staaten: Die (arabischen) nordafrikanischen Länder haben z.B. eine deutlich niedrigere Fertilitätsrate als die auf der arabischen Halbinsel.

Karte 7

Es bleiben noch viele Fragen, aber zwei davon sind von zentraler Bedeutung:  Wann wird der Höhepunkt des Wachstums erreicht? Und welche Bevölkerungszahl werden wir dann erreicht haben?  

Einige Pessimisten befürchten, dass dies erst bei einer Zahl von 16 Milliarden der Fall sein wird, und diese Zahl erst im nächsten Jahrhundert erreicht werden wird. Hans Rosling rechnet mit einer Zahl von 11 Milliarden im Jahr 2100.

Unverbesserliche Optimisten, wie ich zum Beispiel, halten es für möglich, dass das Wachstum schon früher bei einer Zahl von rund 10 Milliarden gestoppt werden kann. Diese Hoffnung basiert auf der Annahme eines weiteren Rückgangs der Anzahl der Geburten je Frau.

Diese Entwicklung könnte sich noch verstärken und beschleunigen. Was auf jeden Fall Mut macht, sind die Fortschritte bei der Bekämpfung des Analphabetismus und bei der Verbreitung von Bildung und Aufklärung. Damit verknüpft ist das von der UN geförderte „Empowerment“ (Selbstbehauptungsfähigkeit) der Frauen, die Zurückdrängung der Herabsetzung und Unterdrückung des weiblichen Teils der Menschheit.

Auch wenn die Erde 12 Milliarden Menschen und vielleicht noch mehr ernähren könnte, so ist eine so hohe Bevölkerungszahl keineswegs wünschenswert. Aus vielen Gründen ist es dringend notwendig, ein nachhaltiges ökologisches Gleichgewicht herzustellen, mit anderen Worten: der Natur wieder mehr Platz, mehr Raum zu geben.

Anhang

Entwicklung der Lebenserwartung