Verstädterung

Das Gegenstück zum Rückzug der Landwirtschaft ist die zunehmende Verstädterung, beide Entwicklungstrends prägen gleichermaßen den gesellschaftlichen Wandel von der Agrar- zur Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Die ersten Städte gab es schon in der Steinzeit schon bald nach der Agrarrevolution, des Übergangs vom Stadium des Jägers und Sammlers zum Ackerbau und zur Sesshaftigkeit. Besonders berühmt ist die Stadt Jericho in Palästina, deren erste Stadtmauern schon 8000 vor Christi Geburt entstanden.

Verstädterung bedeutet aber nicht primär ein Anwachsen der Zahl der Städte, sondern die räumliche Ausdehnung der Siedlungen rund um eine Stadt, rund um den „zentralen Ort“, der wichtige Funktionen nicht nur für sich selbst sondern auch für das Umfeld bereitstellt. Deshalb spricht man auch immer öfters nicht nur von „Urbanisierung“, sondern auch von „Suburbanisierung“, also vom Wachsen der die Stadt umgebenden Vorstädte, die nur in den Ländern des reichen Nordens in der Form von ausgedehnten Einfamilienhäuser-Siedlungen entstehen, während in den Ländern des Südens die Armutsviertel (Slums, Favelas) vorherrschen, in denen Menschen verzweifelt nach jeder Möglichkeit des Broterwerbs suchen müssen.

Übrigens gibt es einen Definitionsunterschied zwischen dem Begriff „Verstädterung“ und „Urbanisierung“, der im einschlägigen Wikipedia-Artikel genau beschrieben wird.

Die folgende Zeitreihe zeigt die aktuelle Entwicklung des Verstädterungsprozesses auf globaler Ebene:

Das Anwachsen des Anteils der Stadtbevölkerung scheint stetig voranzugehen. Wenn man hedoch genau hinsieht, kann man feststellen, dass die Kurve etwas abflacht. Seit der Jahrtausendwende hat sich das jährliche Wachstum fast halbiert von 0,58 Prozent zwischen 1960 und 1970 auf 0,33 zwischen 2010 und 2017.

Die folgende Karte zeigt den aktuellen Stand (2017) der Verstädterung auf Länderebene:

Den Verlauf der Entwicklung zeigen die folgenden drei Karten auf der Ebene der Weltregionen an, also in einer deutlich gröberen Darstellung, um einen klareren Überblick zu bekommen, und nicht durch allzu viele Details letztlich nur Verwirrung hervorzurufen (um also, wie man im Deutschen so schön sagt, nicht vor lauter Bäumen den Wald aus dem Auge zu verlieren). 

Während also 1960 die bevölkerungsreichen Regionen Ost- und Südasien sowohl Afrika südlich der Sahara noch unter der Marge von 20 Prozent liegen, hat sich das bis 2017 deutlich geändert: Ostasien ist zwei Schwellenwerte nach oben gerückt, dort lebt also schon fast die Hälfte der Einwohner in den Städten, während Südasien und Afrika zwar auch ein Wachstum aufweisen, aber nicht so rasant wie Ostasien.

Die beiden folgenden Diagramm zeigen: Zwischen 2000 und 2017 gibt zwar in allen Regionen noch ein Anwachsen der Stadtbevölkerung, aber mit deutlich gebremsten Wachstum im Vergleich zum Zeitraum 1960 bis 2000.

Das letzte Diagramm zeigt die Unterschiede im Wachstum zwischen den Regionen noch etwas deutlicher: In Ost- und Südasien sowie in Afrika ist der Zuwachs der Stadtbevölkerung am höchsten, diese drei Regionen hatten aber auch den größten „Nachholbedarf“.

Machen wir doch noch zum Schluss einen kleinen Vergleich zwischen den beiden Entwicklungstrends Rückgang der Landwirtschaft und Verstädterung:

Erstaunlicherweise stellen wir fest, dass der Rückgang der Landwirtschaft zwischen 2000 und 2017 etwas schneller vorangeht als die Verstädterung. Global ist der Unterschied nur etwa 1,6 Prozent, aber in einzelnen Regionen, vor allem im Asien ist der Unterschied beträchtlich. Dies bedeutet wohl, dass in diesen Regionen auch in den ländlichen Gegenden ein deutlicher Trend zur Industrialisierung zu beobachten ist. In den arabischen Ländern und in Afrika und in geringerem Maße auch in Lateinamerika ist das Wachstum der Stadtbevölkerung höher als der Rückgang der Landwirtschaft, was wohl dazu führt, dass hier die Unterschiede zwischen Stadt und Land deutlicher hervortreten als anderswo. Aber dazu sind Detailstudien auf Länder-, regionaler oder lokaler Ebene gefragt.